In der neuen Saison kämpfen die Vereine auch um das beste Stadion-Magazin der Bundesliga (von Björn Wirth, 28.07.1991 Berliner Zeitung)

Es wird schwer für Hertha BSC. Zum dritten Mal in Folge gehen die "Herthaner" als Spitzenreiter in die neue Saison, und natürlich wollen sie am Ende wieder ganz oben stehen. Doch der Weg dahin ist lang, er misst 17 Heimspiele und ebenso viele Ausgaben des Stadionmagazins "Wir Herthaner". Das wurde in der vergangenen Saison zum besten Programmheft aller Bundesliga-Vereine gewählt, knapp vor dem "Bayern-Magazin" aus München.

Seit knapp 20 Jahren bewertet die "Deutsche Programmsammler-Vereinigung e.V.", der bundesweit 240 Stadionheft-Sammler angehören, alle Programme der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga und gibt am Ende der Saison so etwas wie eine Abschlusstabelle heraus. "Bei Hertha gibt es nichts zu kritisieren. Hier ist alles vorhanden, was die Sammlerherzen höher schlagen lässt", lautete das Urteil für "Wir Herthaner" in der vergangenen Saison. Dafür gab es ein "sehr gut".

Produziert wird das Stadion-Magazin "Wir Herthaner" vom Berliner Powerplay Verlag. Acht Mitarbeiter, davon vier Redakteure, erstellen zu jedem Heimspiel von Hertha BSC ein Hochglanz-Heft, dessen Umfang je nach Ansetzung 48 bis 60 Seiten beträgt. Bei Top-Spielen, etwa wenn die Bayern, Schalke oder Dortmund nach Berlin kommen, können es auch 80 bis 100 Seiten sein, sagt Ralf Grengel, der Geschäftsführer des Verlages. "Damit ist ,Wir Herthaner das umfangreichste Heft der Liga."

Ansonsten unterscheidet sich das Berliner Magazin in Aufmachung und Inhalt kaum von den Heften anderer Vereine. Auf den Hochglanz-Seiten im A4-Format gibt es die neuesten Nachrichten über die Spieler - wer verletzt ist, wer wieder trainieren kann und schließlich: wer mitspielt. Dazu kommt eine ausführliche Vorstellung des jeweiligen Gegners samt Interview mit dem Trainer oder einem prominenten Akteur der Gäste, viele Statistiken, das Porträt eines Hertha-Spielers plus Poster. Und reichlich Reklame natürlich.

Nur den von der "Bravo" abgeschauten Star-Schnitt, der seit dem Aufstieg 1997 jeder "Wir Herthaner"-Ausgabe beiliegt, gibt es nur in Berlin. "Das macht kein anderer Verein. Auch sonst wird dieses Foto nirgendwo veröffentlicht", sagt Ralf Grengel. Das Programmheft kostet zwei Mark, die Auflage schwankt zwischen 12 000 und 18 000 Exemplaren - je nachdem, wie viel Zuschauer im Olympiastadion erwartet werden. Bei Spitzenspielen vor ausverkauftem Haus werden auch schon mal 20 000 Exemplare gedruckt. "Und die werden alle verkauft", sagt der Geschäftsführer.

Über solche Zahlen kann der FC Bayern München nur müde lächeln. Sein "Bayern-Magazin", das erstmals nach der Saison 1984/85 und seitdem achtmal "Programm des Jahres" war, erscheint zu jedem Heimspiel in einer Auflage von 100 000 Exemplaren, von denen allein 89 000 Hefte an Vereins-Mitglieder geschickt werden, bis nach Australien, China oder auf die Philippinen. Allein im Iran hat der FC Bayern einen Fan-Klub mit 700 Mitgliedern.

"Bayern ist natürlich das Maß aller Dinge, auch bei den Stadionheften", gibt Martin Brands, erster Vorsitzender der Deutschen Programmsammler-Vereinigung, unumwunden zu. Das spricht für den professionellen Sammler, denn Brands ist Fan von Borussia Mönchengladbach und vor allem an der Komplettierung seiner "Fohlen-Echo" interessiert. "Natürlich auch ein prima Heft, aber was Hertha BSC in den vergangenen Jahren geleistet hat, ist schon erstaunlich."

Seit 1994, als Hertha noch in der zweiten Bundesliga dümpelte, ist der Powerplay-Verlag für das Stadion-Magazin der Berliner verantwortlich - damals freilich noch mit einer eher bescheidenen Ausgabe. A5-Format, maximal 24 Seiten, das Titelblatt zumindest zweifarbig, der Rest schwarzweiß. Und das alles zum selben Preis wie heute: zwei Mark. Doch der absolute Tiefpunkt des Hertha-Programmheftes waren die zwei Jahre in der Oberliga 1986-1988. Magere acht Seiten bemaß damals das Heftlein, auf zwei Seiten wurden die Aufstellungen notiert, der Rest bestand aus Werbung. Farbe und weitere acht Seiten kamen nur bei den Pokal- und Aufstiegsrundenspielen hinzu.

Mittlerweile könne selbst der Kenner kaum noch qualitative Unterschiede bei den Stadion-Magazinen der Bundesliga ausmachen, sagt der Kenner Martin Brands. Von einigen Ausnahmen abgesehen: So würde der VfB Stuttgart ein ziemlich mieses Hefte herausgeben, "20 Seiten nur und lieblos gemacht", sagt Brands, "wenig Statistiken, keine Specials, dafür viel Werbung". Allerdings gibt es "Stadion aktuell" gratis - ein Luxus, den sich sonst nur noch Bayer Leverkusen leistet. "Die machen aber ein sehr gutes Heft", befindet Brands. Knapp 60 Seiten, auf denen alles stehe, was in einem ordentlichen Stadion-Magazin stehen muss. Dank Vereins-Konzern kommt das "BayArena-Magazin" auch mit relativ wenig Werbung zurecht: Die Anzeigenseiten machen hier nur knapp ein Drittel des Heftes aus - in Stuttgart, Dortmund oder auch Berlin bestehen die Stadion-Magazine zu mehr als 50 Prozent aus Reklame.

Produziert werden die Programme zumeist von den Pressestellen der Bundesliga-Klubs, nur wenige Vereine wie Hertha BSC oder der 1. FC Kaiserslautern haben Verlage damit beauftragt. Auch der personelle Aufwand unterscheidet sich beträchtlich: So müssen sich in Cottbus die zwei Angestellten für Öffentlichkeitsarbeit neben allen anderen Dingen auch um das "Energie-Echo" kümmern, der FC Bayern hingegen kann sich für sein Vereins-Magazin einen hauptamtlichen Redaktionsleiter und mehrere Mitarbeiter leisten.

Dass es nicht immer die Masse macht, beweist wieder einmal der SC Freiburg, der nicht nur schönen Fußball spielt, sondern die Fans auch mit "Heimspiel", dem anspruchsvollsten Heft der Liga, beglückt. Zwar hat das Magazin nur 64 Seiten und glänzt auch nicht ganz so stark wie die anderen, dafür wird im Vorwort gern Heinrich Heine zitiert, gibt es auf der letzten Seite ein intelligentes Cartoon und erreicht die Presseschau geradezu feuilletonistische Höhen. "Ein bisschen anders soll unser Heft schon sein", sagt Marketingleiter Hanno Franke.

Dazu gehört eben auch, ein Heft mit Strophen aus "Deutschland. Ein Wintermärchen" zu eröffnen und auf das bei anderen Klubs obligatorische Grußwort des Präsidenten zu verzichten - zumal es nur in den seltensten Fällen über allgemeine Betrachtungen hinausreicht. Umso erinnerlicher sind die anfeuernden Worte des Dortmund-Obersten im März vergangenen Jahres gegen den Tabellenletzten Arminia Bielefeld im Stadionheft "Borussia aktuell", die mit einem "verbleiche ich herzlichst Ihr Dr. Gerd Niebaum" schlossen. Bielefeld gewann zwar in Dortmund, stieg dann aber doch in die zweite Liga ab.

Von dort kommt nun der FC St. Pauli, was nicht nur für die Bundesliga schön ist, sondern auch für deren Stadionhefte. "Viertelnachfünf" heißt die Bereicherung vom Millerntor, die sich nicht nur um Fußball schert, sondern ein Magazin für den gesamten Stadtteil sein will und auch am Kiosk vertrieben wird. Schon der Titel hebt sich von anderen Bundesligisten wohltuend ab, die ihre Hefte sehr nahe liegend "Werder-Magazin" nennen, "Hansa Sport-News" oder "Löwen-News".

Mit Berichten vom Alltag im Kiez, Szene-Tipps, Kneipen- und Party-Empfehlungen will das Magazin "über das Spielfeld hinaus" wirken. "Es ist viertelnachfünf. Zu diesem Zeitpunkt wissen die Fans des FC St. Pauli, ob am Samstagabend auf dem Kiez zur Feier des Tages einige Flaschen geleert werden", beginnt das Editorial, das hier "Einlaufen" heißt und auch nicht vom Präsidenten kommt, sondern von einem Herrn, der sich Didi nennt.

Die neue Saison wird schwer, auch für den "Wir Herthaner"-Chef von Powerplay. Und sollte es nicht zum "Programm des Jahres" reichen, wird Ralf Grengel nicht untröstlich sein. Schließlich arbeitet sein Verlag auch für die schärfste Konkurrenz. Die offizielle Chronik "100 Jahre FC Bayern München" stammt nämlich aus Berlin.