Raritäten aus dem Stadion künden von alter Fußballglorie von Dieter Schnaas (09.Juni 1993 Rheinische Post)

LANGENFELD  Meist enden sie im Papierkorb - bestenfalls. Einige werden achtlos weggeworfen, lösen sich in Pfützen auf oder verunzieren verzfleddert die Stehränge in den Fussballarenen. Nicht wenige werden zu Schnipseln verarebietet und verkommen beim Torjubel zu buntem Konfetti. Fast nirgends ergeht es ihnen anders: Von den Anhängern als informatives Blättchen mit Bildern, Notizen und Zahlenwerk geschätzt, fast feierlich mit in die Sportstätten genommen und eifrig gelesen, finden sie sich später gerollt und geknickt in den verschränkten Armen ihrer Besitzer wieder oder müssen als kältedämpfendes Sitzkissen mit Minimalkomfort servile Bequemlichkeitsdienste leisten: Stadionprogramme und ihre traurigen Schicksale.

Die Erhaltung der schmalen Hefte hat sich ein kleines Häuflein Fussballbegeisterter auf seine Fahne geschrieben. Die Deutsche Programmsammler Vereinigung (DPV), 1985 gegründet und rund 240 Mitglieder stark, kann sich zurecht als Schutzverein für Stadionzeitschriften begreifen, denn ohne die Sammler wäre viel von dem gedruckten Papier der Fussballvereine ohne Zweifel spätestens der nächsten Altpapiersammlung anheimgefallen.

Zentnerweise "Fohlen-Echo", "Schalker Kreisel" und Kuriere anderer Vereine breiten 60 Sammler aus allen Landesteilen auf Tauschbörsen aus, wie eine jetzt in der Langenfelder Hubertushalle stattfand. In drei Stunden wechselten dort Tausende von Programmen aus den Fussballstadien der Welt ihre Besitzer - ebenso wie Hunderte von Geldscheinen die auf den Tisch geblättert wurden, wenn sich unverhofft die Möglichkeit auftat, eine Sammlerlücke zu schließen. Besonders begehrt sind die Stadionzeitschriften von Europapokal-Auswärtsspielen im ehemaligen Ostblock, vor allem aus Bulgarien und Rumänien. "Die Auflagen waren gering, und die meisten der wenigen mitgereisten Fans haben die Heftchen nicht lesen können. Wer damals trotzdem eins mit nach Hause nahm, besitzt heute eine absolute Rarität", erzählt DPV-Gründungsmitglied Dieter Holz und bekommt leuchtende Augen.

Der ehemalige Vorsitzende hat sich auf das Sammeln von englischen Programmen spezialisiert; der Stolz seiner Kollektion ist die kleine Broschüre, die bei den WM-Titelkämpfen in Schweden 1958 vor der Begegnung zwischen England und Deutschland verteilt wurde. Neben den Heften aus dem Mutterland des Fussballs, wo diese Hobby angeblich besonders verbreitet ist, bewahrt Holz alle Informationsblättchen auf, die in Zusammenhang mit Borussia Mönchengladbach stehen. Er ist stolzer Besitzer aller Heim-, Auswärts, Pokal und Freundschaftsspiel Programme seit dem Bundesliga-Aufstieg der Fohlen-Elf im Jahre 1965.

Aber - man höre und staune - Holz´ Begehrlichkeit hat ihre Grenzen. Um Differenzierung bemüht bekennt er: "Ich bin kein Extremsammler." Wie er berichtet gibt es tatsächlich verschiedene Grade der Leidenschaft unter den Hütern des vereinseigenen Worts. Zur inhaltlichen Aufbesserung  ihres Bestandes begnügen sich einige mit Inseraten in aktuellen Stadionzeitschriften oder mit dem Aufsuchen der Tauschbörse.

An die Perlen unter den Sammlerstücken, für die bis zu 1000 Mark berappt werden, ist auf diese Weise freilich nicht heranzukommen. So muss man verschlungene Wege beschreiten, wem der Hort-Trieb zum inneren Zwang geworden ist: Die Seniorenriege mit ihren Dauerkarten ist den besonders Passionierten ein ebenso beliebter Ansprechpartner wie Alt-Nationalspieler, die einem bestimmten Treffen als aktive Kicker beigewohnt haben. Bisweilen wird die Liebe zur Sucht: etwa wenn bei der Witwe eines verstorbenen Bundesliga-Akteurs - in aller Pietät, versteht sich - vorsichtig angefragt wird, ob es erlaubt sein, einmal in den Nachlässen  ihre Mannes zu stöbern...

An derlei Archivarbeit beteiligt sich Dieter Holz nicht. Aber deren Erträge bewundert er doch: "Einmal habe ich ein Programm von Viktoria Berlin aus dem Jahre 1913 zu Gesicht bekommen", begeistert sich Holz, "das war das Größte."  (Dank an Peter Fischer, Kaarst für die zur Verfügungstellung dieses Berichtes)