Sportgeschichte zum Mitnehmen

Sammler zahlen für Raritäten aus der Sportwelt Höchstbeträge 

von Thomas Horky (Welt am Sonntag vom 13.06.2001)

Kassel - Das kleine Pappkärtchen hat einen Knick und kostete einmal 13,20 Schweizer Franken. Das war 1954, genau am 17. Juni, und es berechtigte dazu, das Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und der Türkei auf Platz 0231 des Züricher Sportplatzes Hardturm zu sehen. Vorige Woche wies das Los Nr. 1025 bei der fünften Auktion von Sportmemorabilia in Kassel immerhin einen Schätzwert von 250 Mark auf, doch den Zuschlag erhielt ein englischer Bieter erst für stolze 1050 Mark. Die Unruhe im gut besetzten Saal der Stadthalle wuchs unaufhörlich, denn weitere Eintrittskarten der WM-Turniere in der Schweiz und in Mexiko 1970 erzielten Preise bis zu 1365 Mark.

"Der Markt für Fußballraritäten boomt unaufhörlich", erklärt Auktionator Wolfgang Fuhr, der mit der Versteigerung und Deutschlands größter Sammlermesse das Forum für diese Entwicklung geschaffen hat. Weit über Tausend Schnäppchenjäger drängten sich auf zwei Etagen um die Tische der etwa 80 Händler, Fans und Fußball-Verrückten. Nachdem bei der Versteigerung bereits 1133 Lose im Wert von rund 500.000 Mark sowie der Nachlass des 1981 verstorbenen Fußballtrainers Bela Guttmann zum Verkauf gestanden hatten, bewies der Liebhaber-Flohmarkt, dass die Nachfrage das Angebot bei weitem übersteigt. Knapp 30 Kisten Material über die Münchner Bayern und die Sechziger schleppten Oliver Buch und Sven Widmann an ihren Stand. "Der Aufwand lohnt sich", so Löwen-Fan Buch, der zu den etwa 200 aktiven Mitgliedern der Deutschen Programmsammler-Vereinigung (DPV) gehört, "vor allem Vereinsgläser, Eintrittskarten und Programmhefte laufen wirklich gut." Der Markt werde "immer professioneller und internationaler", erklärt Wolfgang Fuhr, "viele Privatleute und einfache Fans kommen einfach nicht mehr mit und gehen mittlerweile ohne ein Erinnerungsstück wieder nach Hause".

Ingo Kapteinat ist so einer. Der Hamburger, der rund 400 Programmhefte sein Eigen nennt, ist nach der Auktion ein wenig frustriert: "Hier kommen Leute mit Lederkoffern und zahlen jeden Preis." So investierte ein Bäcker aus der Nähe von Wetzlar, der 45-jährige Peter Schäfer, immerhin über 6000 Mark innerhalb weniger Minuten in Liebhaberstücke rund um die Nationalmannschaft, das Erlebnis sei dabei "positiver Stress" gewesen. Seit 21 Jahren hortet der frühere Bezirksligaspieler alles um das deutsche Team, die 4000 Objekte lagern im extra ausgebauten 100 Quadratmeter großen Dachboden, besondere Stücke in einer acht Meter langen Vitrine. "Auch meine Neuerwerbungen werden sorgsam archiviert", so Schäfer, "von der Sammlung könnte man sich schon ein kleines Häuschen bauen."

Leidenschaft treibt die Sammler. Am Freitag blieb ein Schweizer auf dem Weg nach Kassel mit dem Auto stecken und ersteigerte am Telefon Ware im Wert von rund 15.000 Mark. "Wir erreichen langsam das Niveau von England", erklärt Fuhr, "dort gibt es seit Jahren einen florierenden Markt und Tausende von Sammlern." Eine Entwicklung, die bei den Olympia-Jägern schon lange vollzogen wurde. Dort gibt es seit knapp 20 Jahren ein strukturiertes, professionell organisiertes Gewerbe, mehrere Händler führen weltweite Spezialauktionen durch.